Chia Samen: Wundermittel oder Werbehype?
Von Kira König

Vor Jahren waren sie nur in Reformhäusern zu bekommen, heute sind sie sprichwörtlich in aller Munde: Chia Samen. Angeblich senken sie den Cholesterinwert, normalisieren Insulinresistenzen und helfen auch noch beim Abnehmen. Wir zeigen, was die Forschung tatsächlich zur Wirkung des angeblichen Superfoods sagt.
Was genau ist Chia eigentlich?
Chi, Chi, Chia – über die angeblichen Wunderkörner liest man momentan fast täglich in den sozialen Netzwerken oder in Zeitschriften. Angepriesen werden sie als „Superfood“ – also ein Lebensmittel, dessen Verzehr Gesundheitsvorteile für den Verbraucher bringen soll.
Die plötzliche mediale Aufmerksamkeit der Körner verwundert deshalb, weil sie bereits bei den Azteken und Maya ein Grundnahrungsmittel waren. Ursprünglich in Mexiko angebaut, ist Chia auch unter dem Namen „Salvia hispanica“ bekannt. Die Bezeichnung ist jedoch ein Fehler von Naturforschern. Diese vermuteten den Ursprung der Pflanze in der Vegetation Spaniens. Letztendlich waren es aber Eroberer, welche die Stauden im 16. Jahrhundert aus Mexiko nach Spanien brachten. Heutiges Hauptanbaugebiet ist immer noch Lateinamerika. Das Gewächs gehört als Lippenblütler (Lameaceae) zur gleichen Pflanzenfamilie wie Salbei, Minze oder Thymian.
Zum Verzehr ist das Aztekenkorn sowohl roh als auch eingeweicht geeignet. Die weißen und schwarzen Samen quellen beim Kontakt mit Flüssigkeit binnen weniger Minuten auf. Sie vergrößern ihr Volumen hierbei um das etwa Zehnfache. Das Resultat: Eine Art Pudding. Veganer setzen die Samen vermehrt als Soßenbinder oder Eierersatz ein. Ihr Geschmack ist als neutral zu bezeichnen.
Nicht nur um die Wirkung der Saat ranken sich zahlreiche Mythen, sondern auch um den Ursprung und die Bedeutung des Namens „chia“. Laut einiger Verpackungsaufschriften stammt der Begriff aus der Maya-Sprache und bedeutet „Kraft“ und „Stärke“. Ob diese Übersetzung allerdings der Wahrheit entspricht oder aus einer schlauen Marketingfeder stammt, bleibt offen. Dem entgegen gibt es auch die Theorie, dass das Wort auf die Azteken-Sprache Nahuatl zurückzuführen ist und für „ölig“ steht.
Keine Mythen, sondern reine Fakten liefert ein Blick auf die Inhaltsstoffe der Körner.
Was steckt drin in den Aztekenkörnern?
Ungefähr zwei Esslöffel der Samen, also etwa 25 Gramm, werden für die Anfertigung einer Schüssel Chia-Pudding benötigt. Dies entspricht zudem der von Experten empfohlenen Tagesmenge. Diese enthält etwa 7,5g Fett, 4g Eiweiß, 8,2g Ballaststoffe und 10g Kohlenhydrate (davon 0 Prozent Zucker). Zudem sind Vitamine (B1 und E), Mineralstoffe wie Natrium, Eisen, Zink, Magnesium und Calcium sowie gesunde Omega-3-Fettsäuren in den Körnern enthalten.
In Magazinen werden oft und gerne folgende Vergleiche vorgebracht:
- 100g der Samen decken zu 100 Prozent den täglichen Bedarf eines Erwachsenen an Vitamin E
- 100g der Saat beinhaltet fast zehnmal so viel Calcium wie 100ml Milch (630mg im Vergleich zu 120mg)
- 100g Chia Samen enthalten ebenso viel Eisen wie 400g Spinat
- 100g Chia Samen beinhalten soviel Omega-3-Fettsäuren wie ein Kilo Lachs
Auch wenn dies beeindruckende Zahlen sind, sollte nicht vergessen werden, dass die empfohlene Tagesmenge der Körner bei 25g liegt. Zu beachten sind bei diesen Vergleichen also immer die Mengenrelationen. Die genannten Mengenangaben sind im täglichen Gebrauch kaum umsetzbar und werden auch nicht von Ernährungswissenschaftlern befürwortet. Unbestreitbar ist aber, dass die Samen von allen bekannten pflanzlichen Quellen den höchsten Anteil an Omega-3-Fettsäuren besitzen.
Schluss mit Mythen: Das sagt die Forschung zur Wirkung der Samen
Obwohl die Chia Samen bereits über 5000 Jahre alt sind und oft als Wundermittel angepriesen werden, ist die Forschungslage in Bezug auf die Körner bisher wenig umfangreich.
2007 veröffentlichte die Fachzeitschrift „Diabetes Care“, beauftragt vom St. Michael’s Hospital Ethics Review Board, eine Studie, die eine blutdrucksenkende Funktion bei Typ-2-Diabetes Erkrankten dokumentierte. Die Studienteilnehmer konnten ihre Blutdruckwerte durchschnittlich um ein Siebtel senken. Anhand der Blutwerte wurden zudem entzündungshemmende sowie blutverdünnende Funktionen bestätigt. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass für Patienten mit Typ-2-Diabetes die Samen eine sinnvolle Ernährungsergänzung darstellen können. Ein direkter Einfluss auf die Blutzuckerwerte konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. In den Medien wird dies jedoch oft behauptet, wobei auf eine im Januar 2009 durchgeführte Studie verwiesen wird. Das Institut für Biochemie an der Universität Litoral in Santa Fe belegte nämlich, dass Chia Samen Blutfette und Cholesterinwerte senken und Insulinresistenzen normalisieren können. Oft wird aber missachtet: Diese Studie wurde an Ratten durchgeführt. Beim Menschen stehen solche Studien noch aus. Eine Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen sollte nicht verallgemeinernd geschehen!
Der hartnäckigste Mythos um die Saat ist, dass sie beim Abnehmen helfen soll. Eine 2009 durchgeführte Studie an der Appalachian State Universität in North Carolina untersuchte diese Hypothese anhand von 62 übergewichtigen Frauen. Diese nahmen über einen Zeitraum von 12 Wochen jeweils 25g Chia zu sich. Das Ergebnis: Es konnte kein signifikanter Abnehmerfolg durch den Verzehr von Chia Samen nachgewiesen werden. Zu einem gewünschten Gewichtsverlust kann die Saat also nur beitragen, wenn sie kalorienreiche Lebensmittel ersetzt und nicht einfach zusätzlich zur normalen Ernährung verzehrt wird.
Als Fazit gilt: Das Aztekenkorn ist eine sinnvolle Ergänzung für den Speiseplan und beinhaltet zahlreiche positive Inhaltsstoffe. Den Ruf als Wundermittel hat es aber vor allem durch gezieltes Marketing. Fakt ist: Weder nimmt man durch die Einnahme von Chia Samen ab, noch normalisieren sich durch den Verzehr Insulinresistenzen.