Medipresse - Ob jung, ob alt: Rückenschmerzen in jedem Alter
Von Tamara Walther
„Ich habe Rücken“ - diese Aussage hat sicher jeder schon einmal im Bekanntenkreis oder sogar aus dem eigenen Mund gehört. Rückenschmerzen sind die Volkskrankheit Nummer 1. Egal ob Nacken, Schultern, unterer oder oberer Rücken - Schmerzen im hinteren Rumpf sind tückisch und qualvoll. Umso älter die Person, desto größer die Rückenprobleme - oder? Sind Rückenschmerzen eine reine Alterserscheinung oder sind auch junge Menschen betroffen? Wie unterscheiden sich die Schmerzareale in den verschiedenen Altersstufen? Und welche Tipps gibt es, um die Schmerzen zu lindern? Medipresse hat recherchiert.
Ob in der Jugend oder im Alter: Rückenschmerzen können jeden Menschen treffen. Drei von vier Deutschen leiden mindestens einmal im Laufe ihres Lebens an Rückenschmerzen, 12,5% aller Betroffenen an einer besonders schweren oder chronischen Form. Am meisten verbreitet sind die Beschwerden in der Altersgruppe der 30-55-Jährigen. Aber auch die Jugend bleibt nicht verschont: So klagen rund 20% der Teenager im Alter von 11-17 Jahren über Rückenschmerzen, fast jedes zweite Schulkind (7-14 Jahre) hat eine schlechte Körperhaltung. Besonders im Alter nehmen die Schmerzen durch den Verschleiß der Gelenke weiter zu. Schon mit Ende Zwanzig haben ¾ aller Menschen Risse in einzelnen Bandscheiben, in den Dreißigern steigt die Abnutzung der Wirbelsäulengelenke. Mit rund 70 Jahren trifft dies auf praktisch jeden zu.
Ursachen im AlltagBei Kindern und Jugendlichen heißt der Hauptauslöser „Bewegungsmangel“. Haben sie im Kindergarten noch ordentlich Zeit zu toben, stehen in der Schule langes Sitzen auf ungeeigneten Stühlen und das Tragen zu schwerer Schulranzen auf dem Plan. Das hat zur Folge, dass die Wirbelsäule nur einseitig belastet wird. Mediale Hobbies im Teenageralter wie Laptop, Smartphone und Fernseher verschlimmern die Beschwerden zusätzlich. Durch die fehlende Bewegung verkümmert die Muskulatur. Aber auch Fehlhaltungen und -belastungen beim (Leistungs-)Sport können Beschwerden verursachen.
Bei rund 10% aller Jugendlichen können zudem auch Stress, Anspannung und andere psychische Faktoren Ursprung der Rückenprobleme sein. Dazu zählen vor allem das häusliche und schulische Umfeld.
Solche sogenannten „unspezifischen Rückenschmerzen“ treten generationenübergreifend auf und deuten auf Überlastung hin. Der Schmerz befindet sich meist im unteren Rücken, kann aber durch Physiotherapie und Bewegung einfach gelindert werden. Bleiben die Schmerzen jedoch unbehandelt und halten über drei Monate an, können sie chronisch werden. In diesem Fall sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
Bei Erwachsenen und Senioren spielen zusätzlich zu mangelnder Bewegung und Übergewicht auch Schädigungen aus dem Arbeitsleben eine Rolle. Berufe wie Berufskraftfahrer, Gabelstaplerführer oder Landwirt sind besonders schlecht für den Rücken. Durch die stetige Vibration der Fahrzeuge werden die Bandscheiben belastet. Das führt häufig zu chronischen Beschwerden. Aber auch klassische „Bürohocker“ haben durch eine einseitige Haltung oft Probleme mit dem Rücken.
95% aller Rückenschmerzen sind unspezifisch. Rund 5% aller Betroffenen leiden jedoch unter speziellen Rückenerkrankungen, deren Auslöser nicht im Alltag liegen und die angepasste Therapiemethoden erfordern.
Bei Kindern im Wachstum kann sich eine seitliche Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) bilden und während des Wachstums weiter ausprägen. Meist ist die Ursache eine angeborene Krümmungs-Fehlbildung, aber auch Muskel-, Nerven- und Bindegewebserkrankungen können Schuld sein.
Weitere Rückenbeschwerden können durch Spondylolisthesis ausgelöst werden. Das Wirbelgleiten, bei dem Wirbelkörper im unteren Lendenwirbelsäulenbereich gegeneinander verschoben sind, tritt häufig bei Kindern auf, die Leistungssport betreiben. Dazu gehören beispielsweise Leichtathletik sowie Geräte- oder Kunstturnen.
Bei Morbus Scheuermann, der häufig in der Pubertät auftritt, wächst die Wirbelsäule asynchron mit. Die Folge: Die Wirbelkörper verformen sich und ein Rundrücken entsteht. Wird er nicht aktiv behandelt, verändert sich die Funktionalität der Wirbelsäule.
Ein neues Phänomen, das vor allem Jugendliche, aber auch andere Generationen betrifft, ist der „Handy-Nacken“. Durch den häufigen Blick auf den Handy-Bildschirm nimmt der Rücken eine gekrümmte Haltung ein, die Schultern werden vorgeschoben, der Kopf ist gesenkt. Dabei wirken starke Kräfte auf den Nacken, auch die Haltung leidet darunter. Halswirbelsäule und Schultern werden nachhaltig belastet.
Erwachsene leiden zumeist unter einem Hexenschuss oder Muskelverspannungen. In der Regel werden diese durch besonders einseitige und falsche Belastung oder langes Sitzen ausgelöst.
Ab ca. 50 Jahren nutzen sich die Wirbelkörper mehr und mehr ab, auch Bandscheibenvorfälle treten häufig auf. Bei einem Bandscheibenvorfall ist die Bandscheibe durch Verschleiß flacher geworden und liefert den Wirbeln nicht mehr genug Stabilität.
Im Alter spricht man von einer „altersbedingten Degeneration“: Verletzungen und Verformungen der Wirbelsäule treten auf, zusätzlich kommt es zu Veränderungen oder zum Abbau von Gewebe. Dadurch ist die Wirbelsäule nicht mehr so funktional wie zuvor. Auch das Osteoporose-Risiko steigt. Dabei verringert sich die Knochensubstanz und führt dazu, dass Knochen schneller brechen können. Osteoporose schwächt zudem die Wirbelsäule zusätzlich. In jedem Alter können Rückenschmerzen zudem auf Entzündungen oder gar gut- oder bösartige Tumore hinweisen.
Klagt das eigene Kind über Rückenschmerzen, sollten Eltern dies zunächst im Auge behandeln und falls nötig zum Kinderorthopäden gehen. Häufig gibt es spielerische und sportliche Übungen, die den Beschwerden entgegenwirken. Auch Krankengymnastik kann helfen.
Manche Kliniken bieten zudem eine spezielle Schmerztherapie an: Ein Zusammenspiel manueller Medizin, Physiotherapie, Psychotherapie, medikamentöser Therapie und alternativer Heilmethoden. Sie soll unspezifische Rückenschmerzen lindern.
Für jedes Alter gibt es zudem einige Methoden, die im Alltag umgesetzt werden können, um Rückenschmerzen vorzubeugen und sie zu therapieren.
Sport treibenViel Bewegung ist immer noch am effektivsten. Egal ob Tanzen, Fußball, Joggen oder Kampfsport - die Möglichkeiten sind beinahe unbegrenzt. Die jeweilige Sportart muss nicht zwingend nur die Rückenmuskulatur stärken. Der Rücken wird von vielen weiteren Muskeln unterstützt, die durch Sport trainiert werden. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist regelmäßiges Training, z.B. in Form einer Vereinsmitgliedschaft, empfehlenswert. Zusammen mit den Eltern sollten sie möglichst viel Zeit an der frischen Luft verbringen.
Erwachsene können gezielte Ausgleichsübungen durchführen. Senioren wird oft Fahrrad fahren oder Walking empfohlen. Je nach körperlicher Fitness können sich gerade ältere Menschen aber auch an anspruchsvollere Sportarten herantrauen. So beanspruchen zum Beispiel Schwimmen, Aquafit oder Klettern den ganzen Körper und können in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden durchgeführt werden. Übungen für Senioren und einen Mobilitäts-Selbsttest bietet die Initiative „Aktiv in jedem Alter“ an.
Im Alltag sollte auf eine aufrechte Haltung geachtet werden, um Schultern und Rücken nicht einseitig oder falsch zu belasten. Aus dem gleichen Grund wird Vielsitzern empfohlen, häufig ihre Sitzposition zu verändern und sich zu strecken, um die Muskeln zu lockern. Auch ab und an aufzustehen und einen kurzen Weg zu laufen, ist hilfreich.
Möchte man etwas anheben, zum Beispiel einen Wäschekorb, ist die richtige Technik entscheidend: Mit gespreizten Beinen und geradem Rücken in die Knie gehen, anstatt sich herunterzubeugen. Beim Einkaufen sollte darauf geachtet werden, zwei gleich schwere Tüten zu packen, anstatt eine sehr volle, um beim Tragen nicht nur eine Körperseite zu belasten.
Rückenfreundliche Möbel beachten die natürliche S-Form des Rückens, unterstützen eine aufrechte Haltung und vermeiden einen Rundrücken. Gesunder Schlaf im richtigen Bett bietet Erholung. Hier sind insbesondere eine passende, dem Schlaftyp und Körpergewicht entsprechende Matratze, ein gutes Bettgestell und ein gutes Schlafklima wichtig.
Richtig sitzenWeder im Kinder- noch im Erwachsenenalter lässt sich das Sitzen zwecks Arbeit und Schulaufgaben komplett verhindern. Wer schon sitzt, sollte aber zumindest auf gute Bedingungen achten. Dazu gehören zum Beispiel höhenverstellbare Tische und Stühle. Ein Schreibtischstuhl mit kippbarem Sitz, einer flexiblen Lehne und ein Schreibtisch mit einer schrägstellbaren Tischplatte unterstützen die Wirbelsäule und eine gute Haltung.
EntspannungAuch Stress kann Ursache von Rückenschmerzen sein. Neben Sport sollte sich daher zusätzlich Entspannung gezielt gegönnt werden, um die Beschwerden effektiv zu bekämpfen. Wärme, zum Beispiel ein wohltuendes Bad oder eine Wärmflasche, entspannen Muskeln und Gewebe. Eine psychotherapeutische Massage lockert die Muskeln und fördert ihre Durchblutung.