Studie legt neue Zahlen vor: Wenn Diabetes ins Auge geht
Von Jasmin Oediger

Auf unserer Netzhaut sitzen Millionen von Sehzellen. Sie verarbeiten die eingehenden Sinneseindrücke und leiten diese an das Gehirn weiter – wir können sehen. Gespeist wird die Netzhaut von vielen kleinen Adern, die sie mit Nährstoffen versorgen. Ein Schwachpunkt von Menschen mit Diabetes, denn die Zuckerkrankheit kann diese wichtigen Zulieferwege schädigen und schlimmstenfalls zur Erblindung führen. Eine Studie der Universität Mainz legt hierzu jetzt neue Zahlen vor: Hochgerechnet sind allein in der Altersgruppe der 35- bis 74-Jährigen in Deutschland 142.000 Menschen mit Diabetes von Sehverlust bedroht. Aus den Studienergebnissen sollen neue Früherkennungsmaßnahmen abgeleitet werden.
Viele Menschen mit Diabetes betroffen
Hohe Blutzuckerwerte, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen sind die Auslöser der sogenannten diabetologischen Retinopathie – der Netzhautschädigung, die mit der Zuckerkrankheit einhergehen kann. Die Erkrankung ist besonders tückisch, denn bemerkbare Symptome treten erst in fortgeschrittenem Stadium auf. Und die Zahlen der von der Augenerkrankung Betroffenen ist hoch. Je nach Diabetes-Typ sind die Gründe dafür unterschiedlich. Typ-2-Diabetes wird oft erst nach jahrelangem Bestehen diagnostiziert und hat in dieser Zeit bereits häufig in den Augen zu Schädigungen geführt. Menschen mit Typ-1-Diabetes hingegen müssen die Erkrankung über viele Jahre im Griff behalten, was im Alltag nicht immer gleichgut funktioniert und im Laufe der Zeit auch den Körper, in diesem Fall die Augen, schädigen kann.
Hohe Dunkelziffer, Augen oft geschädigt
Wissenschaftler der Universität Mainz haben im Rahmen der Gutenberg-Gesundheitsstudie mehr als 15.000 Menschen aus der Region untersucht. Ziel der Untersuchung war es, den Gesundheitszustand der Menschen in der Rhein-Main-Region auf den Prüfstand zu stellen. Die Auswertung ergab, dass 7,5 Prozent der eingeschlossenen Personen an Diabetes erkrankt sind. Mit einer erschreckend hohen Dunkelziffer: Ganze 27,7 Prozent davon wussten vor der Untersuchung nicht, dass sie eine Diabetes mellitus-Erkrankung haben. Dementsprechend hoch war auch die Zahl der Personen, bei denen die Erkrankung bereits die Augen angegriffen hat. 20 Prozent der berücksichtigten Menschen mit Diabetes hatten eine geschädigte Netzhaut, 5 Prozent litten an einer fortgeschrittenen Retinopathie. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass bei 142.000 Menschen mit Diabetes im untersuchten Alter von 35 bis 74 Jahren eine ernsthafte Schädigung der Netzhaut vorliegt. Ihnen droht der Verlust der Sehkraft.
Regelmäßiger Augenarztbesuch elementar
Verschlüsse der kleinen Haargefäße in der Netzhaut, Durchblutungsstörungen und eine erhöhte Durchlässigkeit der Netzhaut, die zu Einblutungen führen kann, sind die Folgen einer dauerhaften Schädigung der Innenwand des Augapfels. Die Symptome im fortgeschrittenen Stadium: verschwommenes oder unscharfes Sehen und / oder schwarze Punkte im Gesichtsfeld. Ohne rechtzeitige Behandlung kann eine Retinopathie zur Netzhautablösung und damit zur Erblindung führen. Aus diesem Grund ist eine Früherkennung elementar, um eine ernsthafte Schädigung und eine erhebliche Beeinträchtigung des Alltags zu verhindern. Das Mittel der Wahl hierfür ist die Augenspiegelung, die auch frühe Anzeichen der Erkrankung offen legt. Menschen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes wird aus diesem Grund ein schnellstmöglicher Augenarztbesuch sowie eine jährliche Wiederholung empfohlen. Bei Typ-1-Diabetes sollen Betroffene ab dem 5. Erkrankungsjahr regelmäßig – ebenfalls einmal pro Jahr – die Augen untersuchen lassen. Aus den Studienergebnissen sollen zudem neue Früherkennungsmaßnahmen abgeleitet werden. Welche das sein könnten, ist bisher noch offen.