Wie gesund ist „Leaf to Root“?
Von Catharina Gerber

Wer Gemüse oder Obst schneidet, sortiert Schalen, Blätter, Stiele und Strünke meist ganz automatisch aus. Doch damit könnte jetzt Schluss sein. Die sogenannte Leaf-to-Root-Küche überlässt vermeintliche Gemüse- und Obstreste nicht mehr bloß dem Kompost, sondern integriert sie in den Speiseplan. Der Grundsatz: Es sind mehr Teile eines Gemüses bzw. einer Pflanze genießbar als gedacht. Wir haben diese neue Art der Küche unter die Lupe genommen und erklären, welche Gemüse- und Obstteile dabei lieber nicht auf dem Teller landen sollten.
Woher kommt die „Leaf to Root“-Küche?
Vielen dürfte der verwandte Begriff „Nose to Tail“ geläufig sein, der die komplette Verwertung eines Tieres anstrebt. Die Bezeichnung geht auf Fergus Henderson zurück, der das Prinzip 1999 in seinem Buch „Nose to Tail eating“ beschrieb. „Leaf to Root“ kann gewissermaßen als vegetarisches Äquivalent davon verstanden werden. Die Autorin Esther Kern rief mit dem Launch ihrer Webseite leaf-to-root.com 2014 diese Art der Küche ins Leben, die Gemüse und Obst möglichst vollständig verarbeiten möchte.
Warum das ganze Gemüse verzehren?
Gemüse und Obst machen 44 Prozent aller vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Privathaushalten aus. Dazu gehören auch bisher ungenutzte Pflanzenteile, die beim Gemüseschnippeln oft aussortiert werden. Die „Leaf to Root“-Küche nimmt diese ins Visier - aus mehreren Gründen. Durch die Verwendung von Stängel, Blatt und Wurzel werden nicht nur Ressourcen geschont und unnötige Abfälle reduziert. Es geht auch darum Gemüse und Obst und ihre Produktion mehr wertzuschätzen. Außerdem fördert diese Art der Küche die Experimentierfreude und sorgt für neue Geschmackserlebnisse. Ebenso stecken viele der ungenutzten Gemüseteile voller Nährstoffe.
Wie funktioniert „Leaf to Root“?
Bei der Zubereitung von Gemüse unterscheidet man „first cuts“ – also die üblicherweise verwendeten Obst- und Gemüseteile (z.B. Brokkoli-Röschen) und „second cuts“, die bisher kaum verwendeten Teile von Obst und Gemüse (z. B. der Strunk des Brokkoli). Das Besondere der „second cuts“: Sie erfordern manchmal eine andere oder besondere Zubereitung und haben zum Beispiel eine längere Garzeit. Dabei ergeben sich meist unerwartete und neuartige Geschmackserlebnisse, die viele Köche zu neuen Gerichten inspirieren.
Welche Gemüse- und Obstteile kann ich ohne Bedenken verarbeiten?
Die Auswahl ist groß und reicht von Radieschengrün, das sich gut in Suppe oder Salat verwenden lässt, bis hin zu Melonenschalen, die in einem Smoothie verarbeitet werden können. Aus dem Grün eines Möhrenbundes lässt sich Pesto und aus Kohlrabischalen Gemüsechips herstellen. Bananenschalen hingegen können in einem Kuchen verbacken werden. Auch das Grün des Spargels, Blätter der Schwarzwurzel, Triebe vom Lauch und Wurzeln von Grünkohl können bedenkenlos verarbeitet werden. Ebenso der Strunk von Blumenkohl und Brokkoli. Rezepte finden Sie zum Beispiel hier.
Sind Wurzel, Schale und Co. wirklich gesund?
Anhänger der „Leaf to Root“-Küche argumentieren, dass etwa die Blätter von Wurzelgemüse deutlich mehr Nährstoffe enthalten, als das eigentliche Gemüse. Doch es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen. Auch ungeklärt bleibt die Frage der Bekömmlichkeit von „second cuts“. Untersuchungen zeigen lediglich, dass etwa bei Möhre und Kohlrabi direkt unter der Schale viele Nährstoffe (Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe) schlummern. Auch Gurke, rote Beete und Rettich können mit Schale verzerrt werden. Dabei ist es wichtig, dass Gemüse wie etwa Möhren und Blattgrün vorher gründlich abgewaschen werden sollten. Denn: in Folge der Düngung mit Kuhmist können sie mit Kolibakterien behaftet sein, die Durchfall auslösen können. Am besten verwendet man außerdem nur Gemüse aus ökologischem Anbau ohne Pestizidbelastung.
Was sollte nicht auf dem Teller landen?
Eine potenzielle Gefahr kann der Verzehr des Blattgrüns von Wurzelgemüsen darstellen, da sich hier häufig Pestizide anreichern. Ebenso enthalten einige Gemüsesorten schädliche pflanzliche Inhaltsstoffe. In Rucola, Spinat und auch Rote Beete finden sich zum Beispiel Nitrate, die in großen Mengen ungesund sind. Auch das sogenannte Solanin, das sich in Blatt, Stiel und Stielansatz von Tomate und auch in grünen, keimenden Kartoffeln befindet, kann zu Beschwerden wie Übelkeit, Kopf- und Bauchschmerzen führen. Die Blätter des Rhabarbers enthalten außerdem Oxalsäure, die die Entstehung von Harnsteinen begünstigt. Auch Kerne sind nicht immer zum Verzehr geeignet. Avocadokerne enthalten die giftige Fettsäureverbindung Persin und das Amygdalin aus Aprikosenkernen kann in größeren Mengen Vergiftungen auslösen.
Fazit
Wer neugierig geworden ist und „Leaf to Root“ ausprobieren möchte, achtet darauf, nur Gemüse und Obst in Bioqualität zu verwenden und es gründlich zu waschen. Am besten halten Sie sich außerdem an bereits von Experten erprobte Rezepte. So steht der Entdeckung neuer Geschmackserlebnisse nichts mehr im Wege. Guten Appetit!