Harmlos oder erste Anzeichen einer Arthrose?
Von Martina Moyses

Über 100 bewegliche Gelenke befinden sich in unserem Körper und jedes kann theoretisch auch knacken – am häufigsten passiert es in der Wirbelsäule, im Knie oder in den Fingern. Manche Menschen können sogar auch bewusst mit den Fingergelenken knacken, indem sie die Finger langziehen. Aber: Ist das Knacken ein beunruhigendes Anzeichen für Gelenkverschleiß oder ein ganz natürlicher Vorgang? Und begünstigt absichtliches Fingerknacken womöglich sogar die Entstehung von Arthrose? Der Experte Dr. med. Frank Thormählen gibt Antworten.
Expertenmeinung"Ein Knacken allein ist kein Grund zur Sorge"
So alltäglich das Phänomen der knackenden Gelenke ist – seine Ursachen sind bis heute noch nicht abschließend geklärt. Einhelliger Tenor unter Fachleuten ist es jedoch, dass das Knacksen in den meisten Fällen völlig unbedenklich ist, solange es nicht von weiteren Symptomen wie Schmerzen begleitet wird. Das bestätigt auch Dr. Frank Thormählen, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im Orthopädiezentrum Dr. Buchholz & Partner in Hamburg: „Gelenkverschleiß/Arthrose als Ursache ist auch daher unwahrscheinlich, da durch die Abnutzung des Gelenkknorpels meist nicht nur ein Knacken entsteht– vielmehr würden arthrotische Gelenke knirschen oder Reibegeräusche erzeugen und schmerzen.“
Zwei Theorien, die das Knack-Geräusch erklären können
Dr. Thormählen erläutert eine Theorie, wie das Knacken entsteht: „Werden die Gelenke gestreckt oder gedehnt, können sich in der Gelenkschmiere (Synovia) zwischen den Knorpeln kleine CO2-Bläschen bilden, die mit einem Knack-Laut zerplatzen. Besonders im Fall des Fingerknackens scheint diese Erklärung am plausibelsten zu sein. Arthrose oder Rheuma begünstigt das Fingerknacken jedoch entgegen gängiger Vorurteile vermutlich nicht“.
Der US-amerikanische Arzt Donald Unger wollte es sogar ganz genau wissen und knackste im Selbstversuch über Jahrzehnte hinweg immer nur mit den Fingern der rechten Hand – Tag für Tag. Nach über 50 Jahren wurden beide Hände verglichen und untersucht. Das Ergebnis: Die Fingergelenke beider Hände waren in Ordnung, es gab keine Anzeichen für Rheuma, Arthrose oder sonstige Schäden.
Eine weitere Theorie ist die Saugnapf-Hypothese. Durch die Dehnung des Gelenks lösen sich die Gelenkflächen kurzfristig voneinander und es entsteht demnach ein Unterdruck, der für das Knacken verantwortlich ist.
Schmerzen und Knirschen sollten ärztlich abgeklärt werden
Aber wann sollte man sich Sorgen machen? „Kritisch werden knackende Gelenke eigentlich immer, wenn es nicht bei dem Geräusch allein bleibt“, so der Experte. Sobald zusätzlich Schmerzen auftreten, sollte ein Orthopäde zu Rate gezogen werden. Der Grund: Bei schmerzenden, knacksenden Gelenken können tatsächlich eine Verletzung oder der Verschleiß des Gelenks, eine Fehlbelastung, eine langdauernde Fehlhaltung oder Muskelveränderung die Ursache sein. Fehlende Muskulatur oder ein Ungleichgewicht der Muskulatur können dann das Gelenkspiel stören, zu einer Funktionsstörung führen und ein schmerzhaftes Knacken hervorrufen.
Vor allem im Knie entsteht bisweilen auch ein Knirschen, das meist nicht so harmlos ist wie das bloße Knacken. Dr. Thormählen: „Knirsch- und Reibe- Geräusche lassen auf abgeriebene Knorpelteile schließen und sollten dringend ärztlich abgeklärt werden. Knirschen kann ein Hinweis auf Arthrose sein, die möglichst frühzeitig therapiert werden sollte, um ein weiteres Fortschreiten der Gelenkabnutzung aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen.“
Das hilft
Der Orthopäde rät: „Auch wenn knackende Gelenke in den allermeisten Fällen keinen Anlass zur Sorge geben, kann regelmäßige Bewegung dazu beitragen, dass das Knacken seltener wird. Die Muskeln werden durch Sport trainiert und können die Gelenke daher besser stabilisieren.“ Auch die individuelle Dehnbarkeit kann trainiert werden und einfache Streckübungen provozieren dann möglicherweise keine Knackgeräusche mehr.
Über Dr. med. Frank ThormählenDer Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. med. Frank Thormählen, ist seit dem Jahr 2001 in der Praxisgemeinschaft Dr. Buchholz & Partner in Hamburg tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Behandlung von Sportverletzungen, Sportmedizinische Untersuchungen und Medizinische Trainingstherapie, Osteoporosediagnostik und Therapie, periradikuläre Infiltrationen an der Wirbelsäule (PRT), Manuelle Therapie sowie die Physikalische Therapie.