Resistenzen: Gegen diese Bakterien hilft (fast) kein Antibiotikum mehr
Von Christian Schlieker

Seit der Entdeckung des Penicillins im Jahr 1928 sind Antibiotika zu einem der wichtigsten Instrumente in der Behandlung von Infektionskrankheiten geworden. „Sie sind einer der Grundpfeiler, die es ermöglichen, dass wir länger und gesünder leben, und von denen die moderne Medizin profitiert“, sagt Dr. Keiji Fukuda, Generaldirektor für Gesundheitssicherheit der WHO. Doch bakterielle Infektionskrankheiten könnten künftig wieder für mehr Menschen tödlich enden, wie die WHO in ihrem aktuellen Report berichtet. Grund sei eine globale Zunahme der Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika. „Wenn jetzt nicht schnell und koordiniert gehandelt wird, steuert die Welt auf eine postantibiotische Ära zu, in der gewöhnliche Infektionen und kleine Verletzungen, die für Jahrzehnte behandelbar waren, nun wieder tödlich enden können“, sagt Dr. Fukuda.
► Der WHO-Report listet erstmals auf, welche Bakterien mittlerweile gegen viele Antibiotika resistent sind:
■ MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus): Bei immunschwachen Menschen führen Infektionen mit dem mehrfach resistente Krankenhauskeim nicht selten zum Tod, wenn die Keime in Harnwege, Lunge oder Wunden gelangen. In vielen Einrichtungen können etwa 60 Prozent solcher Infektionen nicht mehr mit Standard-Antibiotika behandelt werden, so der WHO-Bericht.
■ Neisseria gonorrhoeae: Die durch diese Bakterien verursachte Geschlechtskrankheit Tripper könnte in absehbarer Zeit unbehandelbar werden. Denn auch gegen eine Gruppe von Breitband-Antibiotika (Cephalosporine), die bislang als letzte Behandlungsmöglichkeit galt, sind in 36 Ländern, darunter Österreich und Frankreich, Fälle registriert worden, in denen diese Therapie wirkungslos blieb. Mit der Geschlechtskrankheit infizieren sich laut WHO jedes Jahr weltweit 106 Millionen Menschen.
■ Klebsiella pneumoniae: Gegen den Darmkeim, der vor allem bei Krankenhauspatienten mit geschwächtem Immunsystem tödliche Lungenentzündungen und Blutvergiftungen hervorrufen kann, sind mittlerweile nicht nur die gängigen, sondern auch Reserve-Antibiotika unwirksam. Laut der WHO ist bei bis zu 54 Prozent der Infektionen auch die letzten Medikamente wirkungslos.
„In ähnlichem Ausmaß versagen übrigens auch Standard-Antibiotika gegen sogenannte Gram-negative Bakterien, wie beispielsweise Escherichia coli und Pseudomonaden, die häufig auftretende Harnwegs-Infektionen beziehungsweise Lungenentzündungen hervorrufen“, sagt Prof. Mark Brönstrup, Leiter der Abteilung „Chemische Biologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Das Problem: „Es befinden sich erschreckend wenige Substanzen gegen diese Bakterien in der Entwicklungsphase, weil es schwierig ist, Stoffe zu finden, die die Zellwand dieser Bakterien durchdringen können und nicht gleich wieder ausgeschleust werden“, sagt Prof. Brönstrup. „Zum einen sind nur noch wenige Pharmafirmen auf dem Gebiet tätig und zum anderen ist die Naturstoff-Forschung als ergiebigste Quelle neuer Antibiotika in den letzten Jahren vernachlässigt worden“.
In Deutschland sei die Lage nicht so dramatisch wie in vielen anderen Teilen der Welt, beruhigt Prof. Rolf Müller, Geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), aber auch keineswegs entspannt. „Die Zahl der nicht oder zumindest nicht mit den üblichen Medikamenten therapierbaren Infektionserkrankungen nimmt gerade durch die multiresistenten Keime zu“. Dass Antibiotika zum Teil auch in der Tiermast eingesetzt werden, verschärft das Problem. Ansatzpunkte für eine Lösung des Problems gibt es jedoch:
Prof. Gérard Krause, Leiter der Abteilung „Epidemiologie” am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: „Die wirksamste Maßnahme zur Eindämmung des Problems ist, Antibiotikaverordnung und -einnahme zielgerichtet zu betreiben. Es ist wichtig, dass Antibiotika von Ärzten nicht unnötig verschrieben werden, dass immer die für eine Krankheit sinnvollsten Antibiotika verordnet werden und dass Antibiotika von den Patienten so eingenommen werden, wie von den Ärzten angeordnet. Gute Hygiene in Krankenhäusern und in der Lebensmittelproduktion sind dabei genauso entscheidend wie Impfungen.“
WHO und HZI sehen den Bericht als Warnung. Aber solange sich nichts am derzeitigen Einsatz von Antibiotika ändert, „wird die Welt dieses Hilfsmittel mehr und mehr verlieren“, sagt WHO-Generaldirektor Dr. Fukuda.