Warum Impfen so wichtig ist: MMR kann mehr
Von Kira König

Weltweit gibt es rund 30 Millionen Masernkranke jedes Jahr. Trotzdem scheiden sich an der Notwendigkeit einer verpflichtenden Masernimpfung die Geister. Viele halten sie für lebensrettend, Impfgegner hingegen für gefährlich und unnatürlich. US-Forscher widerlegen jedoch nicht nur das härtnackige Gerücht, dass der Impfstoff Autismus auslöst, sondern zeigen auch, dass er insgesamt bisher unterschätzt wurde. Denn: Anscheinend schützt das Serum indirekt auch vor anderen Krankheiten.
Masern in Deutschland: Noch lange nicht ausgerottet
Masernfrei bis 2020: So lautet das Ziel, welches sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gesetzt hat. Immer wieder kommt es jedoch zu gehäuften Masernausbrüchen, die zeigen, dass es bis dahin noch ein langer Weg ist. Für die geplante Immunität der Gesamtbevölkerung müssten nämlich mindestens 95 Prozent aller Menschen gegen die Infektionskrankheit geimpft sein. Bisher sind es in Deutschland jedoch nur 91 Prozent.
Um größere Krankheitsausbrüche zu verhindern steht ein Präventionsgesetz in Deutschland zur Diskussion. Kinder ohne gültigen Impfschutz können so von Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen ausgeschlossen werden, wenn dort Masernfälle auftreten. Eltern müssen somit den Impfstatus ihrer Kinder offen legen.
Impfkritik und ihre Risiken
Kritiker äußern im Internet ihre Ablehnung gegenüber Impfungen und denjenigen, die sie verkaufen, empfangen und durchführen. Die Gründe für die Verweigerung sind vielfältig. Die angebliche Profitgier der Pharmaindustrie, die sich finanziell an Impfungen bereichern will, wird besonders oft bemängelt. Zudem seien Masern im Normalfall ungefährlich. Bei dieser Behauptung wird aber mutwillig ignoriert, dass laut WHO allein 2013 weltweit 145.700 Menschen an dem Virus starben. In Europa enden 0,3 Prozent der Infektionen tödlich. Die meisten dieser Fälle treten in Folge von Spätkomplikationen der Krankheit auf. Eine Gefahr ist die Meningoenzephalitis, eine kombinierte Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute. Einer von 1.000 Masernpatienten erkrankt durchschnittlich hieran. 20 Prozent dieser Fälle enden tödlich. Aber auch die sogenannte SSPE, die subakute sklerosierende Panenzephalitis, eine entzündliche Erkrankung des Gehirns, ist eine riskante Spätfolge. Sie kann sogar erst Jahre nach der eigentlichen Masernerkrankung ausbrechen. Statistisch gesehen tritt SSPE bei einem von 10.000 Erkrankten auf. In 95 Prozent aller Fälle ist der Krankheitsverlauf tödlich.
Durch das Nichtimpfen der Kritiker steigt die potentielle Infektionsgefahr für bestimmte Personengruppen. Menschen, die nicht ausreichend geimpft wurden und Säuglinge können durch sie infiziert werden. Babys, die jünger als ein Jahr alt sind, dürfen nicht geimpft werden. Denn: Körpereigene Eiweiße zur Bekämpfung von Krankheitserregern können erst nach dem ersten Lebensjahr gebildet werden. Die Kleinen verfügen aber oft über den sogenannten Nestschutz. Dies bedeutet, dass sie beim Heranwachsen im Mutterleib oder durch Muttermilch Antikörper erhalten haben. Eine solche Übertragung kann aber nur stattfinden, wenn die Frau geimpft wurde. Wird zu lange bis zu der ersten Masernimpfung gewartet, kann der Nestschutz diesen Zeitraum nicht überbrücken. Es droht eine Infektion.
Immun gegen Masern: Dank MMR-Impfung möglich
Eine Immunisierung gegen das Masernvirus findet durch die MMR-Impfung statt. Der Name leitet sich vom Inhalt des Serums ab: Hauptbestandteile sind lebende, aber abgeschwächte Mumps-, Masern- und Rötelviren. Nach einer Impfung ist man gegen alle drei Krankheiten immun. Patienten wird heutzutage fast nur noch der Kombinationsimpfstoff verabreicht. Grund hierfür: Die Anzahl der Injektionen soll so gering wie möglich gehalten werden.
Zur Immunisierung wird zweimal im Abstand von wenigen Monaten geimpft. Auch Erwachsene sollten ihren Impfstatus überprüfen und gegebenenfalls fehlende Injektionen nachholen. Der Schutz gegen die Krankheit besteht danach lebenslang. Laut Robert-Koch-Institut ist die Kombinationsimpfung nicht schlechter verträglich als die von Einzelimpfstoffen. Nachteil von Einzeldosierungen ist, dass bei jeder Injektion eine Vielzahl von Hilfs- und Begleitstoffen in den menschlichen Körper gelangen und Nebenwirkungen auftreten können. Bei einer Kombinationsimpfung werden diese auf eine anstatt drei Spritzen gebündelt.
Masern-Misstrauen durch unseriöse Studie
Das Misstrauen gegenüber dem MMR-Impfstoff wurde durch eine Studie aus dem Jahre 1998 verstärkt. Der Brite Andrew Wakefield veröffentlichte einen Artikel in der Fachzeitschrift „The Lancet“. In diesem stellte er einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und der Autismuserkrankung bei geimpften Kindern her. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass der Artikel später zurückgezogen wurde. Grund: Wakefield hatte Geld von Eltern autistischer Kinder erhalten. Diese planten eine Sammelklage gegen einen Hersteller von MMR-Impfungen. Durch Wakefields Studie erhofften sie sich bessere Chancen beim anstehenden Rechtsstreit. Folge des Betrugs: Die Impfrate sank in Großbritannien innerhalb weniger Jahre von 92 auf rund 80 Prozent.
Eine im April dieses Jahres veröffentlichte Studie im „Journal of the American Medication Association“ widmet sich erneut dem Impf-Autismus-Thema. Amerikanische Wissenschaftler aus Falls Church im US-Staat Virginia untersuchten hierzu 95.727 Kinder, die zwischen 2001 und 2007 geboren wurden. Ihr Ergebnis: Das Autismus-Risiko wird beim Nachwuchs nicht durch eine MMR-Impfung gesteigert. Selbst bei Kindern, die bereits ein älteres autistisches Geschwister haben, konnte kein erhöhtes Risiko der Entwicklungsstörung festgestellt werden. Im Vergleich zu nicht geimpften Kindern erkrankten sie nicht häufiger an Autismus.
Studie belegt: Die Masernimpfung schützt das Immunsystem
Eine Untersuchung zum Thema „Masernkrankheit und ihre Folgen“ wurde im Mai 2015 im Fachjournal „Science“ publiziert. Die Leitung übernahm Michael Mina, ein Evolutionsbiologe von der Princeton Universität. Ausgangspunkt der Arbeit war die Vermutung, dass Masern-Viren das menschliche Immunsystem dauerhaft schädigen. Lymphozyten würden zwar das Virus bekämpfen, im weiteren Verlauf jedoch zur Keimabwehr fehlen. Das Resultat sei eine gesteigerte Anfälligkeit für Krankheiten. Im Zentrum der Untersuchung stand im weiteren Verlauf die Suche danach, ob und wie lange sich dieser Effekt nachweisen lässt. Dafür analysierten die Forscher Gesundheits-daten aus England, Wales, Dänemark und den USA vor und nach der Einführung der Impfung. Die Amerikaner werden seit 1960 gegen die Masern geimpft, die Dänen erst seit den 1980ern. Erstes Ergebnis: Nach der Einführung des Impfstoffes ging in den Ländern die Kindersterblichkeitsrate deutlich zurück. Ein konkretes Beispiel: In Amerika sank die Zahl der Kindstode von den 1960ern mit rund 24 Sterbefällen je 1000 Geburten, auf nur 4 Tote je 1000 Lebendgeborene im Jahr 2014. Faktoren wie verbesserte hygienische und soziale Bedingungen spielen hierbei eine Rolle, wie auch Mina eingesteht. Dennoch sieht er in den Zahlen einen Beweis für die Verbindung zwischen Impf-Einführung und verminderter Kindersterblichkeit. Die weitere Auswertung der epidemiologischen Daten ergab, dass die Kindersterblichkeit mutmaßlich eng an das Masern-Vorkommen gekoppelt ist. Diese These fußt auf der Beobachtung, dass nach einer lokalen Masernepidemie die Todeszahlen oftmals deutlich anstiegen und erst drei Jahre später wieder sanken. Mina deutet diese Beobachtung so, dass das Immunsystem bis zu drei Jahre nach einer Masernerkrankung deutlich geschwächt zu sein scheint. Fazit: Die Studienergebnisse verdeutlichen nochmals die Relevanz und Notwendigkeit der MMR-Impfung. Nicht nur bietet sie Schutz vor einer Maserninfektion, sondern auch eine immunologischen Abwehr vor anderen Krankheiten.