Wie ein glückliches Leben gelingt
Von Christian Schlieker

Was macht glücklich? Dieser Frage geht Professor George E. Vaillant seit 1967 nach. Damals übernahm er die Grant-Studie – eine Untersuchung, die 1938 begann, das Leben von 268 Harvard-Absolventen zu begleiten, um herauszufinden, wie ein glückliches Leben gelingt. Dazu führen Vaillant und sein Team alle paar Jahre ausführliche Gespräche mit den Teilnehmern, von denen heute noch etwa ein Viertel am Leben ist. Dazwischen müssen sie mehrmals im Jahr zahllose Fragebögen ausfüllen. Auf diese Weise schreibt Vaillant seit über 45 Jahren 268 Lebensromane über Höhen und Tiefen, Karrieren und Krankheiten, Hochzeiten und Scheidungen, Firmengründungen, Geburten, Todesfälle, usw. usw. … Doch was ist Glück? Gibt es eine Definition von Glück, die man prägnant in einem Satz formulieren kann?
„Die wahre Glückseligkeit liegt in der tiefen Bindung mit anderen Menschen.“
„Eine gewisse Ordnung der Umgebung und der Umstände gehören zum Glück – und dazu Menschen, die man liebt und die einen lieben. In einem Satz formuliert: Die wahre Glückseligkeit liegt in der echten und tiefen Bindung mit anderen Menschen“, sagt Prof. Vaillant. Geld und Reichtum sei dagegen kein Garant für Glück. „Geld kann zweifellos Freude bereiten, doch an Reichtum gewöhnt man sich schnell. Dann wird er unbedeutend“, sagt Vaillant. „Die Glücklichsten in unserer Studie waren zwei gut ausgebildete Männer, die gelernt hatten, ihr Wissen als Lehrer erfolgreich weiterzuvermitteln. Sie hatten glückliche Familien und Ehen, die sechzig Jahre lang gehalten hatten.“ Und die Unglücklichsten? „Unglück gab es in vielen unterschiedlichen Varianten. Diejenigen, die zu trinken begannen, an einer Depression oder an schlimmeren Psychosen erkrankten, waren die Unglücklichsten. Aber es gab daneben drei Rezepte für garantiertes Unglück: den Tod eines Kindes, den Tod eines Ehepartners und die Wahl des falschen Ehepartners.“
Nun verläuft kein Leben ohne Schicksalsschläge. Wie geht man damit am besten um? „Partielle Verdrängung, gepaart mit Realitätssinn und der Fähigkeit, aus der Erfahrung für die Zukunft zu lernen. Dagegen stehen Ablehnung von Hilfe und passiv-aggressives Verhalten. Das halte ich für eher schädlich“, sagt Prof. Vaillant. Vielen Menschen fällt es aber schwer, etwas Schlechtem immer auch etwas Gutes abzugewinnen. „Ja. Aber Zufriedenheit ist immer auch von der eigenen Bewertung abhängig“, so Prof. Vaillant. „Das beste Beispiel ist die berühmte Prinzessin auf der Erbse: Sie könnte sehr zufrieden sein, stattdessen konzentriert sie sich nur auf die Erbse – also auf das Einzige, was nicht passt. Dadurch ist sie ständig unzufrieden.“
„Geben und Schenken macht nun mal zufriedener als Nehmen.“
Aus unterschiedlichen Studien weiß man, dass Frauen glücklicher sind als Männer. Warum ist das so? „Frauen sind von Natur aus die besseren Geber“, sagt Prof. Vaillant. „Und Geben und Schenken macht nun mal zufriedener als Nehmen. Sigmund Freud sagte immer, dass die Libido das Wichtigste sei. Ich sage: Am wichtigsten ist, nicht autistisch zu sein, sondern in der Lage, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und sich einfühlsam zu zeigen. Das hat sich als wesentlichster Faktor für ein erfolgreiches und glückliches Leben herausgestellt.“